Die Verfahrensplattform Überbrückungshilfen

Eine starke Idee ist nichts wert, ohne ein zielbewusstes Konzept und eine innovative Umsetzung. Die ]init[-Gruppe realisierte im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die zentrale Verfahrensplattform für die Corona-Wirtschaftshilfen von Bund und Ländern.

Digital vom Antrag bis zur Auszahlung. Es war ein Digitalisierungsprojekt in bislang unbekannter Dimension – mit besonderem Stellenwert für die deutsche Wirtschaft, einer grossen gesellschaftlichen Bedeutung und höchster politischer Aufmerksamkeit. Eine Plattform zur Abwicklung der Corona-Wirtschaftshilfen sollte dazu beitragen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie einzudämmen. Über die Hilfsprogramme zahlten die zuständigen Stellen weit über 56 Milliarden Euro Wirtschaftshilfen an über 2,4 Millionen Antragstellende aus.

Am Anfang des Vorhabens stand die Bundesregierung vor grossen Fragen: Wie können Bund und Länder eine schnelle Umsetzung sicherstellen? Und dabei trotzdem komplexe Regelungsvorgaben und EU-rechtliche Rahmenbedingungen sowie höchste Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz beachten? Und wie können die zuständigen Stellen die dringend benötigten Hilfen zielgerichtet und so schnell wie möglich an Antragsberechtigte auszahlen?

Wir begleiteten das federführende BMWK durch den gesamten Prozess und lieferten in unserer ganzheitlichen Herangehensweise eine zukunftssichere und anpassungsfähige Lösung: eine Ende-zu-Ende- Verfahrensplattform sowie das Informationsportal ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de .

Screenshot of the homepage of the information service on bridging assistance from the federal and state governments
Screenshot of the bridging assistance application portal

Gesamter Verwaltungsprozess digitalisiert

Die Plattform kombiniert verschiedene Open-Source-Komponenten und Low-Code-Produkte sowie standardisierte Schnittstellen mit einem Ziel: den gesamten Zyklus des Antrags- und Bewilligungsverfahrens medienbruchfrei digital abzubilden. Unternehmen aus allen Bundesländern können sich über die verschiedenen Hilfen informieren, den Antrag selbst oder über prüfende Dritte digital stellen und den Bearbeitungsstand verfolgen.

Alle Bewilligungsstellen der Länder nutzen die neuen Fachverfahren, die mit (teil-)automatisierten Datenprüfungen den Bearbeitungsprozess unterstützen. Wir entwickelten die Fachverfahren dafür vollständig neu und integrierten sie in die Plattform.

Daneben sind die Bescheiderstellung und Auszahlung ebenfalls neu erstellte Prozessschritte und integrierte Bausteine des Fachverfahrens. Hohe Sicherheit bieten die verschiedenen Authentifizierungsmethoden, unter anderen die Registrierung über ELSTER-Zertifikate (Online-Finanzamt Deutschland), das Nutzerkonto Bund mit neuem Personalausweis und BayernID. Die technische Infrastruktur ist für den Betrieb der Plattform in allen 16 Bundesländern und über mehrere Hilfsprogramme hinweg ausgelegt.

Die dringend benötigten Liquiditätshilfen sollten schnell und unbürokratisch bei den Unternehmen und Selbständigen ankommen. Die bundesweite IT-Plattform und die gute Zusammenarbeit mit den Ländern, den prüfenden Dritten und ]init[ haben massgeblich dazu beigetragen, dass uns das gelungen ist.

Dr. Sabine Hepperle

Abteilungsleiterin Mittelstandspolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Umsetzung in Rekordzeit

Im Rahmen eines Projekts zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetztes (OZG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) setzte ]init[ die bundesweite Plattform um. Von der Konzeption der Corona-Hilfen im Juni 2020 bis zur ersten Antragstellung auf ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de vergingen nur wenige Wochen. Weitere Hilfsprogramme folgten und waren bereits kurz nach der politischen Einigung zu den Förderbedingungen online in allen Bundesländern verfügbar.

Seitdem werden neue Hilfsprogramme in kurzer Zeit auf der Plattform abgebildet. Spezialist:innen aus allen Leistungsbereichen arbeiteten Hand in Hand, um den straffen Zeitplan zu erfüllen.

Die Überbrückungshilfen zeigen, wie schnell eine Verwaltungsleistung unter höchstem Einsatz aller Beteiligter in Bund und Ländern digitalisiert werden kann. Wir haben in dieser Krisensituation ein Online-Verfahren auf den Weg gebracht, das als erster vollständig digitalisierter Ende-zu-Ende-Prozess einen Meilenstein in der OZG-Umsetzung legt.

Sandra Valentin

Chief Operating Officer, ]init[

Musterbeispiel für OZG-Umsetzung

Die digitale Ende-zu-Ende-Plattform für Corona-Hilfen ist eine der wenigen flächendeckend digital verfügbaren OZG-Leistungen. Die Leistung ist dem OZG-Themenfeld Forschung & Förderung zugeordnet und ein Flaggschiff für das Prinzip «Einer für Alle» (EfA). Alle 16 Bundesländer nutzen die zentrale BMWK-Plattform zur einheitlichen Antragstellung und haben sich mit ihren 21 Bewilligungsstellen dazu entschieden, auch das gemeinsame Fachverfahren für die Antragsbearbeitung zu verwenden. Für die Antragstellung haben sich im System bereits über 45'000 prüfende Dritte sowie mehr als 270'000 Soloselbstständige mit ELSTER-Zertifikat angemeldet. Im Fachverfahren sind bundesweit, Stand Mai 2022, über 5'600 Sachbearbeiter:innen registriert.

Die arbeitsteilige OZG-Umsetzung von Bund und Ländern wird zentral im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) gesteuert. Das BMI hat die Digitalisierung der Überbrückungshilfen finanziert.

Die Verfahrensplattform Überbrückungshilfen ist ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Digitalisierung nach dem EfA-Prinzip über komplette Ende-zu-Ende-Plattformen. Das war nur durch gute und enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern möglich.

Ernst Bürger

Abteilungsleiter Digitale Verwaltung, Steuerung OZG im BMI

Die Plattform zeigt eindrucksvoll, wie durchgängige Ende-zu-Ende-Plattformen die direkte Wirkung politischer Massnahmen unterstützen: Automatisierte Vorprüfungen und Abschlagszahlungen ermöglichten die beschleunigte Auszahlung, zum Teil bereits innerhalb von einem Tag nach Antragstellung.

Ansatz für OZG 2.0

Darüber hinaus zeigt die Ende-zu-Ende Prozess- und Daten-Plattform bereits heute einen möglichen Ansatz für «OZG 2.0»: Komponentenbasierte Verwaltungsplattformen, die mehrere Leistungen und Nutzergruppen bündeln und so eine effiziente Bearbeitung von Verwaltungsleistungen ohne Medienbruch ermöglichen, können zur Beschleunigung bei der Bereitstellung neuer digitaler Verfahren beitragen.

Weitere Projekteinblicke

  • Umsetzung von mehr als zehn Förderprogrammen für von der Corona-Pandemie betroffene Unternehmen von der Beantragung über die Bearbeitung, Bewilligung und Auszahlung bis zur Schlussabrechnung in 17 bundeseinheitlichen Antrags- und Bearbeitungsverfahren auf einer Plattform: Bisher wurden so über 2,4 Millionen Anträge über die Plattform gestellt und bereits mehr als 56 Milliarden Euro an betroffene Unternehmen ausgezahlt.
  • Strategische, fachliche und technische Beratung der Ministerien sowie der 21 Bewilligungsstellen beim Aufsetzen der diversen Förderprogramme inkl. Unterstützung der politischen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
  • Aufbau und Betrieb einer hochsicheren und skalierbaren Infrastruktur im ]init[-Rechenzentrum.
  • Konzeption und Umsetzung der Gesamtarchitektur der Plattform bestehend aus Registrierungskomponente mit ELSTER-Anbindung sowie bundeseinheitlichem Antrags- und Fachverfahren auf Basis einer Kombination verschiedener Technologien, u.a. OSS-Frameworks wie KeyCloak und Java Spring Boot , Software-Produkten wie die Pega Low Code Plattform , Government Site Builder , CoreMedia sowie weiteren Tools (z. B. Docker).
  • Konzeption und Umsetzung verschiedener Schnittstellen, u. a. für den standardisierten Datenaustausch mit Bundes- und Landeskassen und den automatisierten Datenabgleich mit anderen Behörden zur Ermittlung der Antragsberechtigung.
  • Agiles Projektvorgehen unter enger Einbeziehung der zuständigen Bundes- und Landesministerien sowie 21 Bewilligungsstellen. 

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Marlene Hinteregger, Ironforge Consulting AG

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